Hoch, höher, Shanghai Tower. Die drei superhohen Wolkratzer Shanghais stehen an der Central Avvenue. Foto Dirk Leistenschneider

Century Avenue – Boulevard in die Wolken

Shanghais Century Avenue ist ganz großes Kino und hat einiges zu bieten, das nicht nur Touristenherzen höher schlagen lässt. Die Shiji Dadao, wie die große Century Avenue auf Chinesisch heißt, beginnt kurz hinter dem zentralen Kreisverkehr Lujiazuis und arbeitet sich von hier über gut vier Kilometer bis zum Century Park vor. Bereits rund um den Ausgangspunkt stehen zahlreiche „kleine“ Wolkenkratzer, die in Deutschland mühelos die Top Ten anführen würden. Weiter östlich beheimatet der Boulevard Shanghais Trio an superhohen Wolkenkratzern: den eleganten Jinmao Tower, das World Financial Center, genannt der Flaschenöffner, und den ganz und gar außergewöhnlichen Shanghai Tower, auch bekannt als Thermoskanne.

Shanghai will hoch hinaus

Für Chinas Wirtschaft ist der Himmel zum Greifen nahe. Die zweitgrößte Importnation nach den USA gilt als Motor der Weltwirtschaft und hat zum Sprung zur größten Volkswirtschaft der Welt angesetzt. Bereits im Jahr 2009 verdrängte China den einstigen Exportweltmeister Deutschland auf Platz zwei. Shanghai hat daran einen nicht unerheblichen Anteil, will aber höher hinaus. Ausdruck für die ehrgeizigen Pläne sind die gigantischen Finanztürme, die sprichwörtlich in den chinesischen Himmel ragen.

Der Pearl Tower bildet mit seiner Mischung aus Fernsehturm, Unterhaltungszentrum und Freizeitparadies eindeutig das touristische Zentrum von Lujiazui und zeigt, dass der Aufbruch in eine neue Zeit auch eine Menge Spaß machen kann. Spaß ist aber auch in China längst nicht alles. Das »neue Pudong« wurde geplant, um die Wirtschaft Shanghais in neue Höhen zu katapultieren und China anzutreiben. Der überwiegende Teil der Gebäude in Lujiazui wird folgerichtig von Finanzinstituten belegt, deren Beschäftigte hinter den Glasfassaden darum bemüht sind, bei der Steuerung der globalen Finanzströme ein gehöriges Wort mitzureden. Dass sie dabei nicht ganz erfolglos sein können, zeigen die alles überragenden, glitzernden Giganten rund um die Century Avenue. Von hier aus strebt China an die Weltspitze.

Der Oriental Pearl Tower ist Fernsehturm, Ausflugsziel und ein frühes Wahrzeichen für das neue Shanghai. Mit seinen 468 Metern Höhe war er bis zur Fertigstellung des Shanghai World Financial Centers das höchste Bauwerk Chinas. Foto: Dirk Leistenschneider

Davon profitiert natürlich auch Pudong selbst, mehr als 4000 ausländische Firmen haben sich hier angesiedelt, darunter zahlreiche Großgewichte wie GM, Coca-Cola und Siemens. Die Steuereinnahmen des einst vernachlässigten und armen Stadtteils vervielfachten sich innerhalb weniger Jahre. Von den heute rund drei Millionen Bewohnern leben nur noch 350 000 von der Landwirtschaft. Blumen, Früchte, Pilze, Eier, Getreide und Gemüse sind die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die direkt vor der Haustür des Finanzzentrums erzeugt werden und zu einem guten Teil in den Restaurants der Bürotürme verschwinden.

Wolkenkratzer als Kinostars

Die Shiji Dadao, oder eben Century Avenue, beginnt kurz hinter dem zentralen Kreisverkehr Lujiazuis und arbeitet sich von hier über gut vier Kilometer bis zum Century Park vor, wo sie als Fußgängerzone endet. 1999 fertiggestellt, verbindet die Straße, die mit ihren 80 bis 100 Metern Breite auf den Betrachter durchaus verstörend wirken kann, einige sehenswerte architektonische Höhepunkte miteinander. Den Anfang macht das aus zwei Türmen bestehende Shanghai International Finance Center, kurz IFC, gegenüber der Metrostation Lujizui an prominenter Stelle am Kreisverkehr. In den beiden 250 und 260 Meter hohen Türmen, die in Form zweier Diamanten gestaltet sind und die 2009 bzw. 2011 bezogen wurden, sind Büros, Hotels und ein Einkaufszentrum beheimatet.

Gegenüber, auf der anderen Seite der Century Avenue, liegt der BOC Tower mit der glückbringenden Hausnummer acht, Heimat der »Bank of China«. Das 258 Meter hohe Gebäude, das im Jahr 2000 eröffnet wurde, ist einer der drei berühmten Wolkenkratzer, die einen Auftritt im Kinofilm »Mission Impossible III« hatten. Von hier aus machte Tom Cruise seinen Bungee-Sprung auf die dahinter liegenden Bocom Financial Towers.

Jinmao Tower – 421 Meter

Der Grundstein für den Jinmao Tower, den wohl schönsten und bekanntesten Wolkenkratzer Shanghais, wurde 1994 gelegt, nur vier Jahre später war das knapp 421 Meter hohe »goldene prachtvolle Hochhaus« mit seinen 88 Etagen an der Hausnummer 88 bezugsfertig. Die Häufung der Glückszahl Acht hat Methode: So soll die Auswahl des Gebäudeentwurfs im 88. Lebensjahr des damaligen Staatschefs Deng Xiaoping (1904–1997) erfolgt sein, das Gebäude wurde auf acht Hauptträgern errichtet und am 28.8.1998 eingeweiht, jedes Segment des sich nach oben verjüngenden Baus ist um ein Achtel schmaler als das darunter liegende, und die Aussichtsplattform befindet sich in der 88. Etage.

Der elegante Jimao Tower wurde 1998 fertig gestellt ud war seinerzeit das höchste Gebaüde Shanghais. Foto: Dirk Leistenschneider

Schwindelerregend sind nicht nur die Zahlenakrobatik und der Ausblick, auch wenn man von der Straße aus hinaufsieht, kann man ins Taumeln kommen. Das von der Bauweise traditioneller gestufter Pagoden und dem Wuchs einer Bambuspflanze inspirierte Gebäude besticht nicht nur von außen durch seine Eleganz. Auch das Atrium des »Grand Hyatt Hotels« – mit 152 Metern Höhe und 27 Metern Durchmesser der größte »Innenhof« der Welt – ist einen Blick wert und gehört deshalb zu den meist fotografierten Motiven in Shanghai. Das Hyatt belegt die oberen 38 Etagen. Am Fuß des Atriums, im 56. Stock in der Patio Lounge, sitzt man gut bei einer Tasse Tee, während man darüber sinniert, wohin die dahinsausenden Aufzüge verschwinden. In der 87. Etage bietet sich die »Cloud 9«-Bar als Alternative zur Aussichtsplattform an.

World Financial Center – 492 Meter

Das Weltfinanzzentrum befindet sich in Shanghai, zumindest wenn man dem Namen des höchsten Himmelstürmers Shanghais von 2008 bis 2013 glauben darf. Der Grundstein für das Shanghai World Financial Center, nicht zu verwechseln mit dem International Financial Center, wurde bereits 1997 gelegt. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise in Asien unterbrach das japanische Investoren-Konsortium aber die Bauarbeiten, weil die Fertigstellung und die weitere Finanzierung nicht gesichert schienen. Erst im Februar 2003 wurden die Bauarbeiten fortgeführt. In drei Tag- und Nachtschichten waren 2 000 Arbeiter im Einsatz, um den Bau, der ursprünglich »nur« 460 Meter hoch werden sollte, nach geänderten Plänen fertigzustellen.

Auf 492 Meter Höhe kommt das 2008 eröffnete World Financial Center. Foto: Dirk Leistenschneider

Mehr als 2 200 Stahlpfähle mussten in das Fundament integriert werden, insgesamt wurden 40 000 Tonnen Stahl verbaut, bevor das schließlich 492 Meter hohe Gebäude, das wegen der trapezförmigen Öffnung an der Spitze auch als »Flaschenöffner« bekannt ist, 2008 eingeweiht werden konnte. Von der 79. bis zur 93. Etage wird der Tower vom »Park Hyatt Shanghai« belegt, die Sky Arena im 94. und die Observatorien im 97. und 100. Stock bieten bei schönem und klarem Wetter einen unvergleichlichen Blick.

In der 94. Etage werden unter anderem glamouröse Modeshows und verschwenderische Produkt-Präsentationen beklatscht, wie zum Beispiel die Weltpremiere des Porsche Panamera im Jahr 2009, zu der Porsche 300 Journalisten aus aller Welt einlud, die darüber rätselten, wie der neue Luxusschlitten in den Aufzug passte.

Shanghai Tower – 632 Meter

Der 2015 fertiggestellte Shanghai Tower ist die neueste Errungenschaft in der Wolkenkratzer-Sammlung Pudongs. Mit 632 Metern Höhe löste das dank energiesparender Bauweise und Technik als »grünes Gebäude« ausgezeichnete Prestigeprojekt bereits in seiner Bauphase den bisherigen Rekordhalter Shanghais als höchstes Gebäude der Stadt ab, ist aber nach der Fertigstellung des Pingan International Finance Center in Shenzhen nur der zweithöchste Wolkenkratzer Chinas und der dritthöchste der Welt. Der in sich gedrehte Shanghai Tower vervollständigt das lang geplante Trio superhoher Gebäude in Lujiazui. Die Arbeiten begannen 2008. Der Turm besteht aus neun aufeinandergestapelten Segmenten, die von einer Glasfassade eingefasst werden. Dazwischen befinden sich Hallengärten auf verschiedenen Höhen als öffentliche Plätze. Mit ihrem einzigartigen Doppelwandsystem bietet die »Thermoskanne« 40 000 Menschen Platz zur Arbeit und Freizeitgestaltung. Offiziell sind keine weiteren Bauten in Weltrekordhöhe geplant: Bisher sind der rund 900 Meter hohe M Tower und der über 1000 Meter hohe Bionic Tower nur Vision.

Der 2015 fertiggestellte Shanghai Tower vervollständigt das Trio der superhohen Wolkenkratzer in Shanghai. Foto: Dirk Leistenschneider

Der Shanghai Tower hat 128 Etagen über und fünf Etagen unter der Erde, 106 Aufzüge, eine Lobby im 101. Stockwerk und eine Aussichtsplattform in der 121. Etage auf 562,1 Metern Höhe. Die Brutto-Grundfläche beträgt rund 420.000 m².

Jochen Klein

Anfahrt: Metro Linie 2, Lujiazui, Exit 5